Oh, but don't mention love, Jochen. Worüber man nicht singen, kann darüber soll man schweigen. Liebe und Glück sind, wie bekanntermaßen auch Sex, Dinge über die man im Deutschen nicht singen kann, nicht ohne zutiefst in der lyrischen Glibberkiste zu kramen.
Leider schafft es Distelmeyer nicht mal mit irgendwelchen ausgeklügelten Metaphern die unerträgliche Kitschigkeit seines Texts zu destruieren, nein, er lässt Blätter sich wenden, träumt den Traum nochmal, findet Freude für jeden schön und will einfach nur glücklich sein, denn alle Tränen sind geweint. Distelmeyer ist gealtert, gereift und hat befunden, dass alles in sich vollendet sei. An und für sich ist es natürlich schön, dass er nicht mehr zu kämpfen hat und nun Friede und Freude, und wenn wir sein Gesicht betrachten, auch Eierkuchen propagiert. Das Problem ist nur, dass genau mit dieser Zufriedenheit die Textschwäche des Herrn Distelmeyer beginnt. Er stellt sich in den Strom der Zeit - den allseits verhassten Mainstream, der vor allem in der deutschsprachigen Musikszene nur eins bedeuten kann: Schlager.
Das Video zu "Lass uns Liebe sein" zeigt Distelmeyer denn auch in ZDF-Hitparadenmanier mit Kabelmikrofon und mit wippendem Knie à la Roland Kaiser.
So peinlich berüht man beim Hören und Sehen von "Lass uns Liebe sein" auch sein muss, wird in der contra-genialen Kooperation von Bild, Text und Musik deutlich, dass es sich hierbei um ein Bekennerschreiben des (es fällt mir schwer, das zu schreiben) Künstlers handelt. In seiner ersten Solo-Single breitet Distelmeyer unter Umständen die gesamte Poetik seines kommenden Werks aus, das er inhaltlich von dem blumfeldschen abgrenzt. Ohne Blumfeld ist er nicht mehr 1000 Tränen tief, sondern will wieder mit uns tanzen und uns lachen sehen. Diese Offenbarungstaktik ist gar nicht so übel, dann weiß man wenigstens, worauf man in Zukunft aus dem Hause Distelmeyer so gefasst sein muss.
Wer sich des Elends selbst Gewahr werden möchte, kann sich das Video auf Distels Seite angucken. Ich empfehle, den Clip nicht schon nach dem ersten Brechreiz auszuschalten, weil er ab etwa 3:30 noch richtig peinlich wird.
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An dieser Stelle möchte ich nachträglich eine Gegendarstellung zitieren. Max Dax hat zum Karrierewandel des Jochen Distelmeyer in der diesmonatigen Spex, deren Cover übrigens von Distelmeyers Gesicht geziert wird, folgendes zu sagen:
"Jochen Distelmeyer ist ein Alphatier, welches das folgerichtig nächste Level der Berümtheit im geschlossenen System der Musikindustrie einfordert. Was ihn von Wir sind Helden, Silbermond und all den anderen Erfolgstypen unterscheidet, ist echte, sprachlich berührende Poesie. Er bettet Sprachschönheit in Einfachheit, ist auf der Suche nach Klarheit im Liebeslied [...] auf dem verminten Terrain seiner neuen Nachbarn, den deutschsprachigen Radiostars. Denn die deutschsprachige Massenkultur jenseits von Jochen Distelmeyer ist die Hölle."
Mir persönlich schießen zwei Fragen in den Kopf:
Erstens, seit wann ist Konsensfähigkeit oder nennen wir es Mainstream ok, wenn es dabei nur um Ruhm und Geld geht?
Zweitens, wie lange kennen sich Max Dax und Jochen Distelmeyer schon persönlich und wie oft gehen sie miteinander Mittag essen?
7 Kommentare:
Ich glaube ja die einzige Erklärung ist, dass es eben um eine Ästhetik des Ekels geht. Seine Ausstellung und Zelebrierung. Natürlich sind das Versatzstücke der Hitparade, überall ist die Münchner Freiheit. Aber dann doch irgendwo nicht mehr. Alles hat ganz leichte Brüche und Verschiebungen weg vom deutschen Schlager. Irgendetwas passt immmer nicht mehr ganz. Es ist so eine Art Schlager Plus, eine Mimikry, die ihre eigene Verstellung aber auch nicht unbedingt leugnet.
Das ist sehr merkwürdig und belastet den Zuhörer. Vielleicht ist das der Übertritt in die reine Konzeptkunst. Grausam ist es allemal, aber der Zustand ist wenigstens nicht tanzbar.
Und kurz gefasst würde ich sagen:
Das Lied ist zwar so richtig Scheiße, aber man hört sichs ja doch öfter an...
steht in der neuen spex ungefähr so ähnlich drin. aber das fand ich auch alles eklig.
ist vielleicht was für leute, die mit blumfeld und co groß geworden sind und diesen popgedanken vom montagesong sowie vom tod des autors verinnerlicht haben.
ich kann damit nix anfangen. widert mich an.
Mich nervt vor allem diese weiche Stimme, die er aber jetzt schon seit 10 Jahren hat.
Aber alles in allem ist das ja auch ganz lustig. Auf jeden Fall lässt es einen nicht kalt. Und dass der deutsche Pop die Hölle ist... das glaube ich im Prinzip auch.
Übrigens sehe ich keine Brüche und Verschiebungen weg vom deutschen Schlager, das ist ja grad das Schlimme daran.
Ich glaube, eher, dass alle Leute, die Distelmeyer ikonisiert haben, das gerne sehen wollen.
Ich würd sagen, der bringt's einfach nicht mehr. Aber dazu muss man wohl das ganze Album hören, das ich aber noch nicht gefunden habe. Da soll's wohl ganz unterschiedliche Ansätze geben. Andererseits interessiert es mich auch nicht so besonders, da ich ja offensichtlich mit meiner Einschätzung falsch liege, oder zu oberflächlich oder einfach allein bin.
Ich finde Pop-Gefasel viel schlimmer als deutschen Pop.
Wohin mit all dem Hass?
Letzterer Kommentar ist sehr beliebt, sobald ich die Diste-Problematik ansetze.
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